Einem der am besten gehüteten
Geheimnisse der internationalen Welt des Rums auf der Spur …
HIERZULANDE FINDET MAN die guten
Tropfen nur von unabhängigen Abfüllern wie zum Beispiel
›Cadenheads‹, ›Bristol‹ oder ›Berry Brothers‹, allerdings
immer seltener. Er wird von Rum- Kennern gesucht, und dabei tun sie
derart geheimnisvoll, als ginge es darum, den heiligen Gral zu
finden. Die Rede ist von alten Rums der Brennerei ›Hampden Estate‹.
BEI MEINER LETZTEN JAMAIKA-REISE hatte
ich das Glück, die Destillerie ›Hampden Estate‹ besuchen zu
können. Da die verstaatlichten Destillerien auf Jamaika nicht gerne
gezeigt werden –
lediglich bei Appleton gibt es
Besuchertouren –, war es schwierig, den richtigen Kontakt zu
finden. Endlich, nach Monaten sowie etlichen E-Mails und Telefonaten,
stand die Verabredung. Das Treffen könnte man auch als konspirativ
bezeichnen! Als Treffpunkt wurde eine Autobahnabfahrt unter einer
Brücke ausgemacht. Kaum waren wir angekommen hielt hinter uns ein
großes Auto, aus dem die beiden Hussey Brüder ausstiegen und uns
aufforderten ihnen zu folgen. Auffällig war, dass kurz vorher ein
Polizeiwagen auf der anderen Seite hielt und uns zu beobachten
schien. Außerdem war noch ein zweites Auto von Everglades Farm als
Begleitschutz dabei. Im kleinen Konvoi fuhren wir also los, dazu muss
man sagen, dass Auto fahren auf Jamaika kein Vergnügen ist. Nach
einer halbstündigen Fahrt die gefühlt mindestens doppelt so lange
dauerte, wurden wir belohnt.
BEVOR MAN DIE DESTILLERIE sehen kann,
kann man sie riechen – unglaublich, wie rumgeschwängert die Luft
in einem Umkreis von fünfhundert Metern sein kann. Wir fuhren also
auf das Gelände – und mein erster Gedanke war: »Über diesen Ort
muss Captain Morgan gerade eben mit seinen Mannen hergefallen sein.«
Ruinen, bis auf die Grundmauern niedergebrannt, und Maschinen, die
aussahen, als wären sie auf einem Schrottplatz abgestellt.
Allerdings hatte dieser Anblick auch seinen Reiz, erhöhte er doch
meine Spannung auf die Geheimnisse, die ich hier zu entdecken hoffte.
Das Gebot der Stunde: Aus Ruinen
auferstehen
DER DESOLATE ZUSTAND, der sich bei
unserer Ankunft offenbarte, ist zurückzuführen auf die fatale
Misswirtschaft der letzten Jahrzehnte, als ›Hampden‹ immer mal
wieder über längere Zeit verstaatlicht war. Der Vater von Andrew
und Percy Hussey konnte das nicht mehr mit ansehen, und so kaufte er
im Jahre 2009 ›Hampden Estate‹ sowie die Zuckerrohrfelder von
Long Pond. Allerdings stellte sich schnell eines heraus: Damit war es
nicht getan. Noch eine Menge Arbeit und eine weitere Investition von
rund sechs Millionen US-Dollar waren nötig, um hier wie-
der alles auf Vordermann zu bringen.
Wenn man sieht, wie hier einst gearbeitet wurde, erklärt sich auch,
warum es auf Jamaika nur noch sechs Destillerien gibt. Profitabel
konnte man jedenfalls so nicht arbeiten – kein Wunder, dass
bestimmte Anlagen nur ungern gezeigt werden. DIE FAMILIE HUSSEY IST
DABEI, alles wiederherzustellen und aus dem Schrottplatz eine Art
produzierendes Museum entstehen zu lassen. Sie versucht, so viele
Maschinen und Geräte wie möglich zu restaurieren, sucht auf der
ganzen Insel nach Teilen und Maschinen, und nur das, was nicht zu
reparieren ist, wird ersetzt. Ein Mammutprojekt.
WAS ABER MACHT den Rum dieser
Destillerie so besonders? Es kann nicht die Art und Weise sein, wie
er produziert wird, denn das geschieht noch genau wie vor
zweihundertfünfzig Jahren. Speziell wir Deutschen haben eine
besondere Affinität zu jamaikanischem Rum – schließlich sind
der gute alte ›Pott‹ wie auch der
›Hansen‹, um nur die beiden wohl bekanntesten Marken zu nennen,
genau aus diesem Stoff entstanden. NACHDEM IM DEUTSCHLAND des 18.
Jahrhunderts zum Schutz der einheimischen Industrie die Zölle stark
erhöht wurden, lohnte der Kauf von jamaikanischem Rum nicht mehr.
Allerdings war genau dieser Rum sehr beliebt, der vor allem über
Flensburg, das damals zu Dänemark gehörte, zu uns kam. Auch in
Jamaika stand man vor einem Dilemma, und es wurde fieberhaft nach
einer Lösung gesucht. Not macht bekanntlich erfinderisch: Der Rum
wurde von nun an unverdünnt in der höchstmöglichen Alkoholstärke
und mit dem höchstmöglichen Aroma verkauft, also praktisch als
Konzentrat. Das wurde dann mit Neutralalkohol und Wasser verdünnt,
und so konnte man aus einem Fass Rum, das man bezahlt und verzollt
hatte, verdammt viele Fässer entstehen lassen. Der Siegeszug des
jamaikanischen Rums konnte sich fortsetzen.
WENN DIE LANGWIERIGEN PROZESSE
abgeschlossen sind, ist die Destillation an der Reihe. Sie wird in
den alten Pot Stills vollzogen und trägt einen weiteren Teil zur
Intensität des Rums bei. Zur Verfügung stehen insgesamt drei Pot
Stills, zwei alte und eine neue. An diesen Pot Stills befinden sich
jeweils zwei Kolben für die sogenannten hohen und tiefen Weine. Ist
die Destillation abgeschlossen, werden die Destillate auf bekannte
und übliche Weise gelagert.
ALS DIE FAMILIE HUSSEY ›Hampden‹
übernahm, war kein gelagerter Rum mehr vorhanden, und so fängt man
jetzt praktisch bei Null an. Zur Zeit werden deshalb zwei neue
Lagerhäuser gebaut, um den jungen Rum überhaupt lagern zu können.
NA JA, NICHT GANZ BEI NULL, denn den
ersten Rum gibt es schon. ›Rum Fire‹ heißt er, ist ein Overproof
mit 63 Volumprozent und typisch für Jamaika. Er wartet mit einer
unglaublich inten- siven Nase von überreifer Banane und exotischen
Früchten auf – und riecht übrigens genauso wie die Luft auf dem
Gelände. Sicher nicht für jedermann zum pur Trinken, obwohl das gut
geht, dafür aber ein toller Rum zum Mixen, für Drinks wie
beispielsweise ›Mai Tai‹ und einen kräftigen ›Daiquiri‹.
DER ZUKUNFT VON ›HAMPDEN‹ kann man
entspannt entgegensehen. Ich jedenfalls freue mich schon auf die
ersten gelagerten und geblendeten Abfüllungen. In Deutschland wird
er sich übrigens zum ersten Mal auf dem ›German Rum Festival‹
präsentieren, zu dem die Familie Hussey eigens anreist.
Vielen Dank für diesen sehr interessanten Artikel!
AntwortenLöschenWenn man die Bilder betrachtet, wird man eher an eine Geisterstadt erinnert, als an eine (inzwischen ja nicht mehr) ehemalige Rumdestillerie.
Ich bin sehr gespannt, wie sich die Produkte aus dem Hause nun entwickeln werden, der Ansatz klingt vielversprechend.
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenAuch mein Dank für diesen überaus interessanten Bericht!
AntwortenLöschenAuf den Rum Fire bin ich schon sehr neugierig und ich hoffe, dass er nach dem Rumfest zu beziehen ist. Und vielleicht wird es dann ja in 10 bis 15 Jahren wieder einige spannende Cadenhead's Abfüllungen aus der Hampden Estate geben.
Toller Artkel und schöne Bilder. Interessant mal zu sehen wie der Rum auf Jamaika hergestellt wird.
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